Das ewige Thema Anweiden, jedes Jahr aufs Neue. Die Unsicherheit ist auf Seiten vieler Pferdebesitzer groß. Wie lange auf die Weide? Was passiert im Pferdekörper? Wie kann ich Kolik und Rehe vorbeugen? Fragen, über Fragen, Zeit für Aufklärung.
In der Regel kann das Anweiden Ende April / Anfang Mai beginnen, ein Richtwert ist eine Grashöhe von ca. 20 cm. Je nach Standort und Wetterlage kann sich dieser Richtwert um einige Wochen verschieben. Während die Einen wochenlang an der Hand angrasen gehen, schmeißen die Anderen die Pferde ohne Vorbereitung auf die Weide. Ein Patentrezept gibt es nicht.

 

Inhaltsstoffe im Gras
Beim Anweiden muss sich die Darmflora von rohfaserreichem Heu auf rohfaserarmes Gras umstellen. Gras besteht zu etwas 70 % aus Wasser. Durch den hohen Wasseranteil steigen die Sekretdurchflüsse, damit die Tätigkeit der Nieren, was wiederrum dazu führt, dass viele Pferde deutlich häufiger urinieren. Dadurch wiederrum steigt der Bedarf an Salz. Somit sollte grundsätzlich ein Salzleckstein zur Verfügung gestellt werden. Im Vergleich zum Heu kommen im Gras deutlich mehr Bakterien vor, im Magen eines gesunden Pferdes werden rund 90 % der Bakterien abgetötet. Der Darm wird dann von neuen Keimen besiedelt.
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Die Sache mit dem Fruktan
Fruktan dient in Pflanzen als kurzzeitiger Energiespeicher und ist ein langkettiges Kohlenhydrat. Durch jede Photosynthese produziert eine Pflanze Energie. Kann die Pflanze waschen, wird das Kohlenhydrat in Zellulose umgewandelt. Bei großer Hitze, Kälte oder zu wenig Wasser, kann die Pflanze nicht wachsen und speichert die Energie in Form von Fruktan. Kommt dann beispielsweise noch zu wenig Licht dazu, können Pflanzen keine Photosynthese betreiben und produzieren keine neue Energie. Sie ziehen die benötigte Energie aus dem gespeicherten Fruktan. Neben dem Wetter ist der Fruktangehalt auch von der Art und dem Teil der Pflanze, deren Reife und der Tages- und Jahreszeit abhängig. Der Fruktangehalt ist im Blatt geringer, als im Stängel einer Pflanze. Daher gilt, dass ein Pferd auf einer satten Weide pro Kilo Gras weniger Fruktan aufnimmt, als auf einer abgegrasten Weide.

Der Dünndarm eines Pferdes kann Fruktan nicht durch Enzyme aufschlüsseln, wodurch sie in den Dickdarm gelangen, wo wiederrum der Abbau Veränderungen an der Darmflora vornimmt. Hierbei entstehen Gase und Toxine. In der Folge kann die Darmschleimhaut Nährstoffe nicht mehr richtig aufnehmen. Dies macht sich durch Durchfall und Kotwasser, aber auch zu Blähungen bis hin zu Gaskoliken bemerkbar. Auch Juckreiz kann die Folge sein, da bei der Entgiftung auch die Haut verwendet wird. Gelangen die Toxine in die Huflederhaut, ist die Folge eine gefürchtete Hufrehe. Besonders gefährdet sind fruktanempfindliche Pferde, wie Hufrehe gefährdete Pferde, Pferde mit Cushing, EMS, aber auch Pferde mit Sommerekzem oder einer von Haus aus empfindlichen Darmflora.

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Anweiden – Weniger ist mehr
Einige Pferdebesitzer weiden an, andere gar nicht. Ein richtig oder falsch gibt es nicht, aber Vorsicht ist besser als Nachtsicht. Es empfiehlt sich bereits ca. ab März mit dem Anweiden an der Hand zu beginnen. 10-15 Minuten reichen am Anfang aus und sollten die ersten 3-4 Tage nicht überschritten werden. Im Anschluss kann im Rhythmus von 3-4 Tagen um je 15 Minuten gesteigert werden. Wird ein Tag ausgesetzt, sollte das Intervall entsprechend verlängert werden. Kurz vor Eröffnung der Weide sollten jedoch Unterbrechungen vermieden oder die Weidezeit entsprechend kurz gehalten werden. Die Steigerung der Weidezeit sollte im Stunden-Rhythmus erfolgen und wird idealerweise auf Vormittags und Nachmittags aufgeteilt. Ist dies nicht möglich, sollten die Zeiten entsprechend angepasst werden. Grob gilt: Nach 8 Stunden Weidezeit, sind auch 24 Stunden kein Problem, da Pferde auch nicht rund um die Uhr Gras fressen.

Im Idealfall wird den Pferden vor den ersten Tagen auf der Weide ausreichend Heu angeboten, sodass sie gesättigt auf die Weide gehen und entsprechend weniger schlingen. Während der gesamten Weidesaison sollten immer ausreichend Heu und Stroh zur Verfügung stehen.

Das Anweiden eines gesunden Pferdes, kann beispielsweise wie folgt aussehen:
Tag 1 - 4 = 10-15 Minuten
Tag 5 - 8 = 30 Minuten
Tag 9 - 12 = 45 Minuten
Tag 13 – 16 = 60 Minuten
Tag 17 – 20 = 75 Minuten
Tag 21 – 24 = 90 Minuten
Tag 25 – 28 = 2 Stunden

Es dauert ca. 4 Wochen bis sich die Darmflora des Pferdes auf das neue Futterangebot eingestellt hat.

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Tägliche Bewegung – Das A und O
Die tägliche Bewegung ist zu Beginn der Weidesaison das A und O. Wichtig ist hier aerobes Arbeiten, sprich die Arbeit im ruhigen Bereich, dafür etwas länger gezogen als üblich. Es bieten sich lange Ausritte im Schritt und Trab an, aber auch ein bis zwei Stunden spazieren gehen, eignen sich hervorragend. Eine Runde im Schritt vor der Arbeit und eine Runde im Schritt nach der Arbeit ums Feld sind die ideale Ergänzung zum Training.
Kommt das Pferd wie ein Ballon von der Weide, gehört es nicht in die Box, sondern sollte direkt bewegt werden um die Darmtätigkeit zu fördern.

 

Fütterung während der Weidesaison
Natürlich muss das ganze Jahr auf eine ausgewogene und artgerechte Ernährung geachtet werden, nicht nur während der Weidesaison. Vor den ersten Tagen auf der Weide, sollten die Pferde ausreichend Heu zur Verfügung gestellt bekommen, kein Kraftfutter. Ebenso sollte auch nach der Weide Kraftfutter vermieden werden, da dies nur zusätzliche Kohlenhydrate dem Verdauungstrakt zuführt.

Während der Weidesaison sollte das zusätzliche Futter an die Nährstoffe im Gras abgestimmt werden. Durch den geringen Raufaseranteil im Gras, sollte natürlich ausreichend Raufaserreiches Futter, wie Heu zur Verfügung stehen. Einige raten dazu, die Standardrationen an Heu und Kraftfutter langsam zu reduzieren, während die Weidezeit verlängert wird um die Aufnahme von zu viel Energie und Eiweiß zu verhindern. Ob dies gewünscht ist, sollte individuell je Pferd entschieden werden.
Die Böden in Deutschland sind eher mineralstoffarm. Wenn es notwendig ist, sollte das Pferd mit Mineralfutter versorgt werden. Wer sich unsicher ist, kann ein Blutbild durch en Tierarzt machen lassen, um ideal zu zufüttern.

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Kolik, Hufrehe und Co
Frisches Gras ist reich an Kohlenhydraten und Eiweiß. Die Darmflora ist über die Wintermode anderes Futter gewohnt. Koliken, Durchfall, Rehe, etc. können die Konsequenz von zu schnellem Anweiden, aber auch empfindlichen Pferdemägen sein.

Kolik – Der Angstgegner jedes Pferdebesitzers. Durch die vermehrte Aufnahme von Wasser, ergibt sich eine große Füllmenge für den Darm und den Magen und somit viel Arbeit für die aufspaltenden Mikroorganismen, die die Verdauung in Gang halten. Ist die Magen-Darm-Flora nicht langsam auf die steigende Arbeit gewöhnt, kommt es zu Fehlgärungen im Dickdarm, die Ursache für Graskoliken.

Durchfall – Was raus muss, muss raus. Durchfall wird oftmals auch als Reinigung des Darms beschrieben und ist die Folge von zu viel Grasaufnahme und einen noch nicht umgestellten Darm. Es ist ratsam die Grasaufnahme zu reduzieren.

Kotwasser – Kotwasser ist keine Krankheit, sondern nur ein Symptom für einen Zustand, der ungewöhnlich ist. Gleichzeitig ist Kotwasser auch kein Durchfall. Es ist eine braune Flüssigkeit, die durch die Darmtätigkeiten nach außen gelangt. Als Faustregel gilt: Wenn die Flüssigkeit die Beine herunterläuft, dann ist es Kotwasser. Kotwasser steht teilweise auch in Verbindung mit Durchfall, wenn der Darm nicht in der Lage ist das aufgenommene Wasser zu verarbeiten. Der Darm übersäuert. Auch hier ist es ratsam die Grasaufnahme zu reduzieren.

Hufrehe – Der nächste Angstgegner eines jeden Pferdebesitzers. Hufrehe ist eine Erkrankung zwischen Hornkapsel und Hufbein, dem sogenannten Hufbeinträger. Der pH Wert und das Bakterienmilieu im Dickdarm werden durch die schwer verdaulichen Kohlenhydrate aus dem Gleichgewicht gebracht. Die Folge ist das Absterben von Mikroorganismen, was wiederrum zur Bildung von Toxinen führt, die in den Organismus gelangen und im Huf die Entzündungsreaktion hervorrufen. Hier gilt: Runter vom Gras und den Tierarzt rufen!

Angelaufene Beine – Ebenfalls eine häufig auftretende Nebenwirkung zu Beginn der Weidesaison, da das eiweißreiche Gras den Stoffwechsel belastet. Es kann durch Flüssigkeitseinlagerung kommen, wenn Toxine nicht schnell genug als Harnstoff ausgeschiedenen werden können.

 

Wichtig: Kolik, Hufrehe und CoDas Pferd ganz genau beobachten um Veränderungen schnell zu erkennen und schnell reagieren zu können um schlimmeres zu verhindern.

 

Auf eine wunderbare Weidesaison!

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