„Oh ist das schön – so schön schwarz“, das habe ich nicht nur einmal gehört, wenn eine Person „fachkundig“ ein Pferd beurteilt hat. Auch in verschiedenen Pferdegruppen auf Facebook wird so manches Pferd als „wunderschön“ betitelt, weil es schön gezeichnet ist. Da ist es auch egal, ob das Pferd einen noch so schlimmen Ramskopf oder Senkrücken hat. Aber woran erkennt man tatsächlich ein gutes Pferd?

Zunächst sollte man das Pferd mit etwas Abstand betrachten. Stimmen die Proportionen? Sieht der Körperbau harmonisch aus? Vor-, Mittel- und Hinterhand sollten proportionsmäßig gut zusammen passen und das Pferd sollte in einem leichten Rechteckformat stehen. Das heißt, dass die Rückenlinie etwas länger ist als die Beine des Pferdes.

Der Kopf des Pferdes spielt bei der Leistungsfähigkeit zwar keine Rolle, dennoch gibt es Merkmale, die man sich wünscht. So sollte der Kopf edel und trocken sein, und von der Größe harmonisch zum Körper passen. Außerdem sollte am Gesicht der Geschlechtsausdruck erkennbar sein. Man wünscht sich ein großes, aufmerksames Auge, das wach, klug und souverän blickt, denn dies sagt bereits viel über das Interieur aus. Außerdem sind große Nüstern wichtig für die Atmung, eine ausgeprägte Maulspalte gibt der Zäumung Platz.

 

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Das Genick des Pferdes wünscht man sich leicht, nicht zu stark, mit nicht zu viel Masse, also Fett und Muskeln im Kehlgang. Man spricht hier von Ganaschenfreiheit. Bei zu wenig Ganaschenfrewiheit fällt es dem Pferd schwer, am Zügel zu gehen, weil die Ohrspeicheldrüse durch das umliegende Gewebe gequetscht wird. Winkelt das Pferd den Kopf an, treten an der Seite dicke Wülste hervor. Doch die Mischung machts, wenn Genick und Gamasche zu leicht sind, gibt die Kopf-Hals-Einstellung zu viel Spielraum und erschwert eine sichere Anlehnung. Bei einem Pferd mit guter Ganaschenfreiheit sollten in die Vertiefung an der Kehle etwa zwei Finger passen.

Den Hals eines Reitpferdes wünscht man sich lang, nicht zu dick, an der Oberseite kräftig bemuskelt und mit Schwung in der Linie aufgesetzt. An seiner Verbindung zur Brust, dem sogenannten Aufsatz, muss der Hals möglichst muskulös und breit sein und in einen hohen und breiten, gut bemuskelten Widerrist auslaufen. Der Hals soll nicht zu hoch und nicht zu tief aufgesetzt sein, damit er frei getragen werden kann. Zum Kopf hin soll er sich deutlich verjüngen.

 Der Widerrist soll hoch und lang sein und weit in den Rücken hinein reichen. Er muss Platz für den Sattel geben, der auf dem Rücken und nicht auf der Schulter liegen soll. Zudem ist er Befestigungspunkt der Halsmuskeln. Der Widerrist soll die Rückenlinie zwar klar überragen, da überbaute Pferde leicht auf die Vorhand kommen, doch ein zu hoher Widerrist macht Schwierigkeiten bei der Auswahl eines passenden Sattels, da dieser sonst schnell nach hinten rutscht.

Die Schulter eines guten Reitpferdes wünscht man sich lang und schräg, idealerweise im rechten Winkel zum Oberarm, um dem Pferd raumgreifende Bewegungen zu ermöglichen. Außerdem schränken steile, kurze Schultern häufig auch das Springvermögen eines Pferdes ein. Das Buggelenk, sollte möglichst weit vorne liegen. So macht es die Vorhand beweglich und ermöglicht Raumgriff, denn hier treffen sich Oberarm und Schulter. Aus diesem Grund sollte der Oberarm nicht zu kurz sein und der Ellbogen etwas abstehen. Zwischen Brustkorb und Ellenbogen sollte eine flache Hand passen.

Das Ellenbogengelenk soll von starker Muskulatur überdeckt sein. Es verbindet den Oberarm mit dem Unterarm, der lang und ebenfalls kräftig bemuskelt sein soll. Auch von seiner Länge hängt zu einem gewissen Teil der Raumgriff der Vorderbeine ab.

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Die Vorderbeine müssen lang, gut proportioniert und trocken sein, die Sehnen müssen klar und gut fühlbar sein. Die Gelenke des Vorderbeins müssen ausgeprägt, groß und gut geformt sein, auf keinen Fall dürfen sie zu schwach oder zu leicht sein. Die Vorderbeine müssen gerade sein, weder vor- noch rückbiegig. Die Fessel und den Huf wünscht man sich idealerweise im 45-Grad-Winkel zwischen Huf, Fessel und Boden. Der Huf muss gut geformt und groß sein, da sowohl Fessel und Huf Stoßdämpfer Eigenschaften haben. Eine korrekte Stellung ist daher unabdingbar.

Die Oberlinie wünscht man sich harmonische, aus ihr soll eine gute Verbindung zur Hinterhand resultieren; ein zu matter Rücken schiebt das Hinterbein nach hinten, anstatt es unter den Körper treten zu lassen. Auch hier macht es das gesunde Mittelmaß, der Rücken sollte nicht zu lang, nicht zu kurz sein, eben so lang, dass er sich aufwölben kann. Auch für die Kruppe wünscht man sich große Linien, sie soll nicht zu steil, nicht zu horizontal sein, damit eine ideale Hebelwirkung der Hinterhand das Pferd in Bewegung setzen kann. Der Oberschenkel soll schräg liegen, das Kniegelenk weit vorne, fast unter dem Hüftknochen. Dadurch wird ein guter Schritt und ein elastischer Gang ermöglicht. Wie alle Gelenke wünscht man sich auch das Sprunggelenk klar und trocken. Mit einem idealen Winkel von etwa 145 Grad soll es für eine optimale Kraftübertragung sorgen.

 

Insgesamt muss man sagen, dass es den perfekten Körperbau eines Pferdes nicht gibt. Und auch der perfekte Körperbau ist kein Garant für ein Top-Pferd. Ich habe auch schon Pferde mit geradem Rücken, Hirschhals und geradem Hinterbein gesehen, die dennoch top-erfolgreich im großen Sport waren. Denn mindestens so wichtig wie der Körperbau ist das Interieur. Kampfgeist, Ehrlichkeit und Mut können manche Mängel im Körperbau ausgleichen.

 

Habt ihr auch Erfahrungen damit gemacht? Erzählt mir in den Kommentaren davon!