Manche Leute finden es ja cool, wenn ihr Pferd auf Kommando steigt. Es sieht auch immer imposant aus. Wenn es aber unkontrolliert passiert, wird es schnell gefährlich. Nicht selten hört man von Pferden, die beim Steigen nach hinten umgefallen sind und den Reiter unter sich begraben haben. Ich habe mal gesagt, dass ein Pferd alles machen darf, nur steigen geht gar nicht. Und dann hatte ich irgendwann plötzlich selbst ein steigendes Pferd.

Kurz zur Vorgeschichte: Wir hatten unsere Pferde am Haus stehen und mussten ca. 500 Meter bis zur Halle reiten. Auf dem Weg nach Hause hatte Fine es immer eilig, es gab ja Futter. Diese Rennerei wurde immer schlimmer. Wenn mal ein Auto auf der schmalen Straße kam und ich anhalten wollte, hat sie sich gewehrt und ist irgendwann auch in die Luft gegangen. Gleiches Bild in Siegerehrungen, vor allem in der Halle. Wenn sie zu lange warten musste, ging sie in die Luft.
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Jetzt kennt man Millionen Tipps, um Pferden das Steigen abzugewöhnen. Mit dem Knauf der Gerte zwischen die Ohren hauen. Wenn ein Pferd hoch geht, ein rohes Ei zwischen den Ohren zerschlagen. Ein Seil unter den Bauch schlagen, um dem Pferd bewusst zu machen, dass der Bauch gerade ungeschützt ist. Oder einfach in den Arsch treten. Bestimmt gibt es auch Leute, die von mangelndem Vertrauen oder zu viel Dominanz sprechen und mir damals Bodenarbeit empfohlen hätten. Ich jedenfalls habe damals angefangen, auf dem Weg von der Halle nach Hause die Springgerte mit dem Schlag nach vorne zu nehmen und habe sie provoziert, indem ich auf dem Stück nach Hause öfters angehalten habe. Jedes mal, wenn sie hoch ging, hat sie mit dem flachen Schlag der Springgerte eins hinter die Ohren bekommen. Das mag bei manchen Pferden funktionieren. Bei Wallachen vielleicht. Fine ist aber eine eher dominante Stute. Und die wurde sauer. Mit jedem Schlag ein kleines bisschen mehr. Statt aufzuhören, fing sie an so zu steigen, dass ich keine Möglichkeit mehr hatte, sie zu hauen.
Und da wurde es wirklich gefährlich. Wenn sie stieg, stieg sie so, dass sie dabei einen Satz nach vorne machte und sich mit vollem Gewicht aufs Gebiss legte. So wurde ich aus dem Sattel gehebelt. Dann rannte sie einfach blindlings los. Gerade an einer Straße, wo rücksichtslose Autofahrer oft nicht mal abbremsen, ist das wirklich gefährlich. Während manche vielleicht jetzt ein schärferes Gebiss oder Schlaufzügel gewählt hätten, habe ich eingesehen: Gewalt ist, wie eigentlich immer, keine Lösung. Sondern Geduld. Oder in unserem Fall eher: Sturheit. Und so begann eine längere Diskussion, wer von uns beiden den längeren Atem hat.
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Geübt habe ich zuerst auf dem Hof, zwischen Stall und Grundstücksgrenze, wo keine Autos fahren, auf ca. 50 Metern. Anhalten, stehen lassen. Weiter ging es nur, wenn sie entspannt stehen geblieben ist. Wenn Fine hoch ging, abgewendet, zurück zum Ausgangspunkt, da wieder hingestellt. Wenn sie brav stehen geblieben ist, habe ich gelobt und sie durfte ein paar Schritte vor. Ständig stand ich wieder am Anfang der Einfahrt. In der ersten Übungseinheit habe ich über eine Stunde für die 50 Meter bis zum Stall gebraucht, war hinterher müde und wirklich durchgefroren. Aber ich hatte gewonnen. Am nächsten Tag das gleiche Spiel. Diesmal hat es noch eine halbe Stunde gedauert. Schon bald hatte Fine verstanden, dass sie schneller zum Futter kam, wenn sie artig war. Innerhalb von einer Woche habe ich ihr so das Steigen auf dem Nachhauseweg abgewöhnt. 
Einen kurzen Rückfall hatten wir nach einem Stallwechsel. Die Herde auf der Weide, Fine sollte arbeiten. Schon beim Aufsteigen stand sie auf zwei Beinen. Selbes Spiel wie damals. Zwei Stunden lang, in Richtung Wiese, wieder Richtung Stall, mal am Stall vorbei von der Wiese weg. Hinterher waren wir beide nass geschwitzt (trotz eher kühler Temperaturen Anfang April!). In den folgenden Tagen ging es immer besser. Wenn ich heutzutage finde, dass Fine mir zu schnell wird oder droht, vorne hochzugehen, bleibe ich sofort stehen oder wende ab. Heute kommt es da gar nicht mehr zu. Meine Sturheit hat gesiegt.
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Gelernt habe ich in dieser Zeit eins: Es gibt kein Patentrezept bei Steigern. Vor allem bei unerfahrenen Reitern und Kindern gehört einfach kein Steiger unter den Sattel. Auch Steigen als Kunststück sollten nur solche Menschen einem Pferd beibringen, die im Zweifel auch wissen, wie man es dem Pferd wieder abgewöhnt.