Viele Frauen finden sich zu dick. Ein Speckröllchen hier zu viel, vielleicht noch ein, zwei, fünf Kilo weniger. Auch ich bin da keine Ausnahme. Trotz der typischen Damen-„Komplexe“ bin ich bei 1,67 m und roundabout 65kg aber absolut normalgewichtig. Trotzdem: Setze ich mich auf schmale Warmblüter kleiner als 1,55 m habe ich ein schlechtes Gewissen. Selbst bei guter Bemuskelung denke ich, dass das nicht unbedingt sein muss.

Eine englische Studie hat einmal ergeben, dass das Idealgewicht von Reitern bei maximal zehn Prozent des Pferdegewichts liegen soll. Bei einem durchschnittlichen 600 kg schweren Warmblüter wären das also 60 kg. Demnach wäre ich für Fine zu schwer. Jetzt ist Fine aber gerade nicht im Training und deswegen leicht übergewichtig. Wenn sie jetzt also 650 Kilo wiegt, darf ich mit meinen 65 kg dann bedenkenlos reiten?

Hierzu zwei Punkte: Zum Einen hat die Studie auch gesagt, dass 10 – 15 % noch gut vertretbar sind. Bei 600 kg wären das 60 – 90 kg. Also alles okay. Aber tragen schwere Pferde wirklich auch mehr Gewicht? Ein Bild hat sich mir einmal besonders ins Gedächtnis gebrannt: Ein wirklich fetter Haflinger (nicht leicht übergewichtig, sondern schwerst adipös). Auf ihm drauf: Eine ebenso viel zu schwere Dame mit Westernsattel. 15 %? Möglich. Aber diese Dame gehörte nicht aufs Pferd. Auf gar keins! Schon gar nicht, auf ihren ca. 1,55 m großen Haflinger, der genug mit seinem eigenen Übergewicht zu schleppen hatte. Denn Fett trägt nicht!

Aber wenn diese Faustregel gar nicht anwendbar ist, wie weiß ich dann, ob mein Pferd mich (er-)tragen kann?

Ein deutliches Zeichen, dass man zu schwer für sein Pferd ist, sind Rückenschmerzen. Einfach mal nach dem Reiten den Rücken abtasten, oft zeigt das Pferd dann ziemlich deutlich, dass ihm was weh tut. „Mein Pferd zuckt immer beim Putzen, aber das ist nur kitzelig“, hört man oft. Nein, ist es nicht. Mir hat mal jemand gesagt „Wenn Pferde kitzelig wären, würden sie lachen“. In wie weit das für den Bauch und die Flanken stimmt, weiß ich auch nicht, aber ein Zucken im Rücken bedeutet definitiv Aua. 2015 09 0718.09.08

Wie viel mein Pferd tragen kann, hängt nicht nur von der Größe, sondern natürlich auch vom Trainingszustand ab. Pferde müssen erst lernen, dass sie auf Gewicht von oben nicht mit einem weggedrückten Rücken reagieren dürfen. So kann ein Senkrücken entstehen, mit Kissing Spines als Folge und der lange Rückenmuskel, seineszeichens Bewegungsmuskel, muss das Reitergewicht tragen. Das führt zu einer Überlastung und einer Übermüdung, was wiederum eine schmerzhafte Verspannung zur Folge hat. Wenn die Hinterhand untertritt, wölbt sich der Rücken auf und der Bewegungsmuskel kann frei arbeiten. Das Gewicht wird dann zum größten Teil passiv vom Nackenband und Skelett getragen. Auch die Bauchmuskeln und die weiteren Rückenmuskeln müssen trainiert sein, damit ein Pferd unter dem Reitergewicht gesund bleibt. Nach drei Monaten Pause erst einmal vier Stunden durch Gelände schrubben ist also gleich aus mehreren Gründen Käse.

Und die Rasse? Sind manche Rassen besonders als Gewichtsträger geeignet? Auch das kann man nicht pauschal sagen, denn ein Isländer kann vom 1,30 m Pony bis zum stämmigen 1,48 m Pferd reichen, gleiches gilt für Haflinger und Norweger. Durch einen immer größeren Blutanteil werden die Pferde schmaler und leichter. Je „kalibriger“ ein Pferd ist, desto eher ist es ein Gewichtsträger (Kaliber = Das Verhältnis von Normalgewicht zur Widerristhöhe beim Pferd). Je schwerer der Knochenbau und je weiter der Brustumfang eines Pferdes, desto stärker ist sein Kaliber im Verhältnis zu gleich großen, zierlicheren Pferden. Der klassische „Gewichtsträger“ ist also breit und kräftig. Auch hier zählt nicht, wenn das Pferd breit ist, weil es 100 kg Übergewicht hat…

Natürlich spielt auch bei der Diskussion passendes Sattelzeug eine große Rolle. Ein Richter bei uns auf dem Turnier lästert manchmal „Der Sattel wird ihr auch langsam zu klein“. Er umschreibt damit, wie könnte es anders sein, einen immer fetter werdenden Reiterhintern. Zu viele Reiter belügen sich selbst und kaufen lieber einen Sattel mit einer 17er-Sitzfläche, obwohl sie eine 18er bräuchten. Steckt doch einmal zwanzig Kilo Steine in einen Rucksack. Mit breiten gepolsterten Trageriemen für einen Erwachsenen wahrscheinlich kein Problem. Aber packen wir die Steine mal in einen Beutel mit schmalen Riemchen, die auch noch einschneiden und drücken. Na? Genau. Gerade ein „Gewichtsträger“ braucht also einen gut sitzenden, gut gepolsterten Sattel, bei dem das Reitergewicht gleichmäßig auf eine große Fläche des Rückens verteilt wird. Ist der Sattel zu klein, dann drückt das Gewicht auf den Sattelkranz hinten, sodass dieser sich dann förmlich in den Pferderücken hineinbohrt. 20150911 183241 1

Es gibt noch etliche weitere Faktoren, nach denen bestimmt werden kann, wie schwer der Reiter für sein Pferd sein darf. Ich höre jetzt schon viele schreien: „Dicke, schwere Reiter, die gut reiten sind weniger schlimm als dürre Reiter, die dem Pferd im Rück rumplumsen?“ oder „Was ist mit Voltigierern? Die sind manchmal zu dritt gleichzeitig auf dem Pferd!“ Möglich, keine Ahnung. Voltigierpferde sind, zumindest die, die ich kenne, immer groß und eher breit (also kalibrig) und in der Regel gut trainiert und bemuskelt. Da sollte das für die kurze Zeit, die die ganze Mannschaft drauf ist, kein Problem sein. Aber letzten Endes muss immer der Einzelfall betrachtet werden. Hört also in euer Pferd hinein, es wird euch schon sagen, wenn was weh tut. Ihr müsst nur zuhören!

P.S.: Vielen Dank an Taze - traditional and digital Art (Einleitungsbild) und Vivien Lukner (Buntstiftzeichnung) für die großartigen Bilder!