Die Aussage „Longieren macht die Füße kaputt“ oder „Longieren macht den Hallenboden kaputt“, hat wohl jeder schon gehört.
Ich stimme beidem zu! So lange man das Pferd „zentrifugiert“ macht man sowohl die Füße (wahlweise zusammen mit dem Rücken) als auch den Boden kaputt und es ist wohl sinnvoller das Pferd zu reiten oder laufen zu lassen.

Nimmt man sich nun ein wenig Zeit sich mit dem Thema Kreis zu beschäftigen, wird einem ganz schnell klar werden, ein Pferd ist nicht dazu gemacht Runde um Runde im Kringel zu laufen. Das heißt für den Menschen, dass er dem Pferd zeigen muss, wie es auf einem Kreis laufen kann, ohne sich und den Boden kaputt zu machen.

Aber wie macht man das?

Ich möchte kurz vergleichen wie man beim Longieren auf den Kopf des Pferdes einwirkt wenn man mit Trense, Kappzaum oder Halfter longiert und warum für mich beim Longieren ein Kappzaum an den Pferdekopf gehört.
IMG 5480Beim Longieren auf Trense wird die Longe am inneren Ring des Gebisses, an einer Longierbrille oder durch den inneren Ring übers Genick zum äußeren Ring des Gebisses verschnallt. Aber wie wirkt sich Zug an der Longe jetzt auf den Pferdekopf aus? Durch das Einschnallen der Longe am inneren Ring kommt Druck auf den äußeren Maulwinkel. Das Pferd wird die Nase nach innen bringen um dem Druck zu entgehen aber nicht das Genick drehen und in Stellung gehen. Durch diese Bewegung muss es seinen Körper ausgleichen und fällt auf die innere Schulter. Kombiniert mit hoher Geschwindigkeit versucht es seine Balance zu halten und geht wie ein Motorrad um die Kurve.
Beim Longieren auf Halfter hat man eine ähnliche Wirkung. Entweder die Longe wird am inneren Ring eingehakt oder am unteren. Bei beidem kommt zuerst Druck auf die Außenseite des Kopfes. Anatomisch gesehen wird das Pferd so in die Motorradlage „gezogen“. Es liegt mehr Gewicht auf den Gelenken der inneren Beine, es fußt schräg mit den Hufen auf, was hohen Druck auf die Gelenke bringt. Wird die Schräglage zu groß kann das Pferd ausrutschen und im schlimmsten Fall stürzen.

IMG 4160 KopieBeim Longieren auf Kappzaum ist die Wirkungsweise eine andere, vorausgesetzt die Longe wird im mittleren Ring auf der Nase eingeschnallt. Kommt nun Zug auf die Longe wird der Kopf des Pferdes nach innen gedreht. Man bekommt also Stellung. Durch diese veränderte Einwirkung auf das Genick des Pferdes kann man die Wirbelsäule des Pferdes von der Nase bis zum Schweif beeinflussen.IMG 3806Es ist natürlich nicht damit getan, dem Pferd irgendeinen Kappzaum anzuziehen und es an die Longe zu nehmen. Ein bisschen Arbeit gehört dann doch dazu.
Zuerst muss ein geeigneter Kappzaum gefunden werden. Gar nicht so leicht. Schließlich wird der Markt im Moment von verschiedensten Modellen überschwemmt. Das wichtigste, der Kappzaum darf nicht rutschen um Verletzungen zu vermeiden. Was für Modelle gibt es und wofür sind sie geeignet? Welches Modell passt auf die Nase meines Pferdes? Mit Eisen? Ohne Eisen? Serreta oder Caveçon? Schwerer Deutscher Kappzaum oder doch ein Wiener? Portugiesisch? Leder oder Nylon?
Im Großen und Ganzen kann man sagen: Lieber Leder und mit Naseneisen. Weniger auf die Optik als auf die Funktionalität schauen. Ein Kappzaum mit Eisen liegt stabiler und ruhiger auf der Nase. Die Einwirkung ist weniger schwammig und durch eine breite Auflage weniger scharf. Die Serreta und alle Kappzäume ohne Eisen sind weniger zum Longieren und mehr zum Reiten entwickelt worden. Am Ende entscheidet aber das Pferd!

kappzaum schrift

Und nun? Longe dran und los geht es? Naja fast.

Man muss sich im Klaren sein,  dass die Wirkung eines Kappzaums eine völlig andere ist, als viele Pferde es kennen. Es empfiehlt sich direkt am Pferd die Grundlagen zu erarbeiten. Dem Pferd zu zeigen wie es gesunderhaltend auf dem Kreis gehen kann. Was der Zug auf seiner Nase bedeutet und welche Reaktion man gerne hätte. Das Pferd soll lernen in Stellung und Biegung mit aufgerichteter innerer Schulter wie ein Zug auf Schienen auf dem Kreis zu gehen.

DSCN0949Dazu steht der Longenführer nicht starr in der Mitte des Zirkels, sondern geht mit dem Pferd auf verschieden großen Kreisen und später auf der ganzen Bahn. Über den Kappzaum und mit den etablierten Hilfen kann man das Pferd auch auf Distanz in die Biegung holen und Stellung im Genick abfragen und es so gesund und bodenschonend longieren.
Für die fortgeschritteneren Pferde können Seitengänge in allen Arten, Handwechsel und versammelnde Lektionen mit eingebaut werden. Bis hin zu fliegenden Wechseln und Passagetritten etc. ist alles möglich und das Pferd hat die Chance das alles ohne Reitergewicht zu erlernen.  

IMG 3317Longieren kann mehr als nur Bewegen sein. Das Pferd kann weiter ausgebildet werden, lernt sich gesund zu bewegen und das alles kann mit in den Sattel genommen werden. Es ist eine tolle Möglichkeit, sein Pferd sinnvoll zu bewegen, auch wenn man mal nicht so viel Zeit hat.

IMG 3453Auch zum Wieder-Antrainieren kranker Pferde oder zum Vorbereiten ihrer Aufgabe als Reitpferd kann die Kappzaumarbeit super eingesetzt werden. Die Pferde lernen, sich auszubalancieren und auf einem Kreis zu gehen. Sich zu biegen und zu stellen. Vermehrt unter zu treten und Last mit der Hinterhand aufzunehmen. Durch gezielte Seitengänge werden die Pferde gedehnt und gestärkt. Auch für Pferde, die nicht mehr geritten werden können, ist diese Art der Arbeit sinnvoll, stärkt die Muskulatur und verhindert so einen Verschleiß der Knochen und Gelenke.

IMG 9044Bei der Arbeit am Kappzaum kann das Pferd die Muskulatur am Hals durch verschiedene Kopfpositionen besser lockern und dehnen. Man kann zwischen dem klassischen Vorwärtsabwärts und einer Arbeitshaltung mit mehr Aufrichtung variieren. Bei weiter ausgebildeten Pferden kann auch in Aufrichtung und Versammlung gearbeitet werden. Es ist möglich das Pferd nach einer Phase der Versammlung in ein entspannendes Vorwärtsabwärts zu entlassen und es einige Zeit später wieder in die Aufrichtung holen.
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Für die richtigen Profis ist dann nicht mal mehr ein Kappzaum oder eine Longe notwendig, die arbeiten einfach komplett frei über die Körpersprache und die erlernten Bewegungsabläufe und so kann man auch beim frei laufen lassen die Pferde über eine Körperdrehung und ein Gertensignal in eine gesunde Haltung bitten.
Für mich ist die Kappzaumarbeit eine sinnvolle Möglichkeit, mein Pferd zu gymnastizieren, weiter auszubilden und zu stärken, ohne im Sattel zu sitzen. Ganz ohne Hilfszügel und Co. lernen sie sich gesund und richtig zu bewegen und werden diese Haltung immer wieder gerne einnehmen.

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Wir danken Laura Stolp für den tollen Bericht zur Arbeit am Kappzaum.